Wirklichkeit als semantisches Netzwerk

Die letzten Wochen haben wir euch im Rahmen dieses Blogs erste nähere Einblicke in die Grundlagen semantischer Datenmodelle gegeben. Von semantischen Objekten und Verknüpfungen bis zu ontologischen Strukturgesetzen wurden bezeichnende Charakteristika solcher Modelle aufgezeigt und zudem auf wichtige erkenntnistheoretische und linguistische Ursprünge verwiesen.

Nachdem wir damit eine erste Vorstellung davon haben, was semantische Datenmodelle sind, wollen wir uns heute und in den folgenden Beiträgen ansehen, was sie konkret können und wozu wir sie brauchen. Welche allgemeinen Anwendungsformen werden durch ihre Eigenschaften begünstigt? Welche Themen, Gebiete und Situationen sinnvoll abgedeckt? Und worin besteht dabei der Mehrwert des semantischen Ansatzes?

Semantische Perspektive

Wie herkömmliche Datenmodelle auch erzeugen semantische Modelle eine Entsprechung der Wirklichkeit (oder Teilen dieser) in Form von Daten. Semantische Modelle erweitern diese digitale Transformation aber um das Moment der Verknüpfung. Indem Daten in semantischen Modellen vielfältig miteinander verknüpft werden können, ändert sich die Perspektive auf und die Funktion von Daten. Daten sind nicht mehr nur alleinstehende Referenzen einzelner Fakten, sondern stehen dank Semantik in bedeutsamer Verbindung zu anderen Daten (und den durch sie repräsentierten Fakten).

Der semantische Mehrwert besteht dabei in der Etablierung sinnvoller Daten-Kontexte, die keine trivial hierarchische, punktuelle Ordnung (mit Anfang und Ende) erzeugen, sondern vielmehr eine mehrdimensionale Darstellung bedeutungsvoller Zusammenhänge. Anstatt Daten also in ein starr zentralisierendes Muster einzubinden, versucht Semantik diese (und die damit referenzierte Wirklichkeit) in flexiblen Verbindungsformen zu beschreiben. Anstelle der präskriptiven und damit künstlichen Ordnung von Datenmengen tritt eine deskriptive Darstellung des Realen in Datenform. Das herkömmlichen Datenmodellen eigene Ordnungsmuster des Stammbaumes wird zu diesem Zweck durch die semantische Figur des Netzes ersetzt.

Omnipräsente Netzwerke

In semantischen Modellen formiert sich die datenbezogene Repräsentation zu bedeutungsvollen Netzwerken, die den vielfältigen Verflechtungen der Wirklichkeit entsprechen sollen. Besonders deutlich wird diese semantische Eigenschaft durch visuelle Graphen-Darstellungen, deren Knoten (semantische Entitäten) und Kanten (semantische Verlinkungen) den Netzcharakter solcher Modelle offenkundig werden lassen. Beziehungen, Verhältnisse und Kausalitäten von Daten bzw. Fakten offenbaren sich, einzelne Datenbausteine fügen sich zu größeren Informationsbildern. Statt singulärem Einblick fördert Semantik kohärenten Überblick. Und um auf den anwendungsorientierten Punkt zu kommen: Semantische Datenmodelle erlauben es, beliebig vernetzte Domänen der Wirklichkeit adäquat abzubilden.

Es stellt sich nun die Frage, wo wir denn solch vernetzten Domänen begegnen? Die Antwort ist einfach: ständig und überall. Wir begegnen, wir erkennen und wir bilden ausnahmslos Verknüpfungen. Verknüpfungen in Form von verschiedenst gestalteten Netzwerken. Vernetzung ist dahingehend eine ständig wiederkehrende Form in Natur, Kultur, Gesellschaft etc.; letztlich also ein Modus, wie uns die Welt begegnet. Aber noch mehr: Vernetzung ist auch eine erkenntnistheoretische Figur der menschlichen Sprache, des menschlichen Denkens; also auch ein Modus, wie wir die Welt wahrnehmen und wie wir der Welt begegnen. In dieser Hinsicht ist Semantik ein wirkungsvolles Werkzeug, wie wir eben diese verschiedensten Verflechtungen greifen und somit begreifen können.

Der semantische Mehrwert

Insofern semantische Datenmodelle die Formen der Vernetzung und deren verknüpfende Mechanismen nachempfinden und zum funktionalen Leitprinzip erheben, sind die Anwendungen semantischer Datenmodelle offensichtlich mannigfaltiger Art. Sie vermögen Wirklichkeit zu beschreiben; überall dort, wo sich Verknüpfungen bilden, wo Formen des Netzwerks identifiziert werden können. Und indem sie diese Netzwerk kompakt und verständlich abbilden, erleichtern sie uns, die dargestellte Wirklichkeit zu verarbeiten, zu verstehen.

Die konkrete Anwendung eines semantischen Modells umfasst also in der Regel die systematische Darstellung strukturierter Verflechtungen – bezogen auf verschiedenste Ebenen: Dies kann Netzwerke von Personen, Gruppen und Firmen, von Daten und Informationen, aber auch von Systemen, Prozessen und vielem mehr umfassen. Der große Vorteil von semantischen Modellen besteht letztlich darin, dass sie diese einzelnen, von herkömmlichen Modellen separat dargestellten Ebenen wiederum systemisch zu vereinen vermögen. Wie? Indem Semantik diese Ebenen netzhaft miteinander verknüpft! Wir erinnern uns: Die prinzipiellen Grenzen semantischer Netzwerke sind nicht künstlicher Art, sondern definieren sich durch das zu Darstellende. Und insofern sich uns die Wirklichkeit als überbordend vernetzt offenbart, so zeichnen sich auch semantische Modelle durch das Übertreten von (hermeneutischen, funktionalen, systemischen) Grenzen aus. Dies wollen und werden wir euch in den kommenden Beiträgen anhand konkreter Anwendungsbeispiele aufzeigen.

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